Mein Leben mit...

Als ich am 30. Mai 1987 geboren wurde, hatten meine Eltern keine Ahnung, dass ihre Tochter krank sein würde.
Die ersten Monate nach meiner Geburt verliefen ganz normal. Meine Eltern waren glücklich und meine große Schwester präsentierte überall Stolz ihre kleine Schwester.


Meinen Eltern fiel relativ schnell auf, dass mich das Trinken aus der Flasche sehr anstrengte. Ich hatte Schweißperlen auf der Stirn und danach war ich immer total kaputt, was sich dadurch äußerte, dass ich immer sehr schnell danach einschlief. 

Da das Herz damals noch nicht zur Routine Untersuchung nach der Geburt und den darauffolgenden Untersuchungen gehörte, hat natürlich niemand gesehen, dass sich der Ductus bei mir nicht geschlossen hatte.

Als ich ungefähr ein halbes Jahr alt war, wurde zufällig ein Herzgeräusch festgestellt. Der Arzt damals konnte dies allerdings nicht eindeutig bestimmen. Er sagte damals: „Es ist mal da und dann ist es wieder weg“.

Um das Herzgeräusch genauer abklären zu lassen, wurden meine Eltern mit mir in die Kölner Uniklinik geschickt. Dort fing ein Wochenlanges Mysterium an.


Wir wurden von einem zum anderen Arzt geordert und niemand konnte wirklich sagen, was mir denn fehlte. Außerdem gingen die Ärzte mit ihren Informationen, die sie an meine Eltern gaben sehr, sehr vorsichtig um. Ich muss ehrlich sagen, dass es unverantwortlich von diesen Ärzten damals war nicht mal eine Frage konkret zu beantworten. Um dies zu verstehen, muss an sich einmal in die Lage meiner Eltern –oder auch Eltern anderer kranker Kinder- hineinversetzte. Diese Ungewissheit ist meist schlimmer, als die Tatsache, dass ein Kind krank ist.m

Die einzigen Antworten, die meine Eltern auf ihre Fragen bekamen, waren: „Wir wissen nicht genau, was ihrer Tochter fehlt, wir müssen weitere Untersuchungen machen!“.
Diese weiteren Untersuchungen beinhalteten im genauen nur eine Kathederuntersuchung, bei der man die Werte des Herzens messen wollte.

Natürlich ist es für Eltern nicht einfach sein Baby in einen Operationsaal zu bringen und es dem Tun der Ärzte zu überlassen. 
Durch Zufall las mein Vater damals einen Bericht in der Zeitung, in dem es hieß, dass ein gewisser Herr Dr. Redel mit einem speziellen Ultraschallgerät –ein Farbdoppler- einen Blick in das Herz werfen konnte. Was natürlich erst mal eine Alternative zu der Kathederuntersuchung war.

Nach ein wenig Recherche fanden meine Eltern heraus, dass dieser Professor Dr. Redel in Bonn an der Kinderuniklinik arbeitete.
Nach ein paar Telefonaten stand ein Termin.

Professor Dr. Redel konnte nach einer einzigen Untersuchung meinen Eltern eine vollständige Diagnose nennen. Pulmonale Hypertonie –für den Laien auch Lugenhochdruck genannt. Sogar die Ursache war im Ultraschall klar erkennbar: Ein offener Ductus arteriosus Botalli.

 

Nun, das war doch schon mal eine Hausnummer. Doch auch Professor Redel konnte mir eine Kathederuntersuchung nicht ersparen, da nur so der genaue Druck bestimmt werden konnte.

Meine Eltern fühlten sich vom ersten Moment an in Bonn  gut aufgehoben, was die Entscheidung zum Katheder natürlich um einiges einfacher machte.

 

Nach dieser Kathederuntersuchung stand aber dann endlich der Wert des Druckes in meiner Lunge fest doch leider war dieses Ergebnis vernichtend.
120mmHgschon ab einem Druck von über 50mmHg geht es den Patienten ziemlich schlecht.




Die nächste Frage, die sich meinen Eltern stellte, was ich wohl für eine Lebenserwartung hatte. Tja diese Frage konnte ihnen niemand beantworten.

Die durchschnittliche Lebenserwartung eines PH-Patienten liegt heutzutage bei 2 Jahren nach Diagnose und das mit den heutigen Medikamenten.

Damals gab es diese Medikamente noch nicht und da kommt die nächste Frage:
„Wie behandeln wir das?
Antwort: „Mit Herztabletten!“. Das einzige Medikament, das ich bekam war Lanitop –fürs Herz. Außerdem musste ich zu regelmäßigen Kontrollen, die auch weitere Kathederuntersuchungen nicht ausschlossen, ins Krankenhaus.



Mit einem Jahr kam dann der erste größere Eingriff: Eine Ductusbändelung.
Das Heißt, dass der offene Ductus kleiner gemacht wurde. 

Danach allerding noch immer offen war. Natürlich hat man versucht den Ductus ganz zu schließen, aber aufgrund des hohen Druckes und den damals begrenzten Mitteln, war dies nicht möglich. Jegliche Art von Spirale, Ballon und was es sonst noch so gab, hat einfach nicht gehalten. 
Die Ductusbändelung verlief dafür ohne Komplikationen, obwohl sich der Druck nicht veränderte.

Ich hatte trotz allem eine ganz normale Kindheit.


v. li.: Ich, Steffi, Sabrina




Als im November 1988 meine Schwester Sabrina geboren wurde, war ich die große, stolze Schwester.












Selina


Doch bei einer kleinen Schwester sollte es nicht bleiben. 1991, im Dezember, genau ein Tag nach dem Geburtstag meiner großen Schwester Steffi, kam unser Nesthäkchen Selina zur Welt.
 


Meine Familie war und ist heute noch perfekt, obwohl sie noch um einiges größer geworden ist...




Meine Kindergartenzeit unterschied sich nicht von der, der anderen Kinder. Ich spielte, bastelte, turnte, kletterte und machte allen möglichen Quatsch genauso wie jedes andere Kind. 





Ich lies mich nie von meiner Krankheit beherrschen.
Und das ist bis heute noch so.


Ich habe mich nie anders gefühlt. 
Ich war zwar immer etwas langsamer als alle anderen, doch das schränkte mich in keinster Weise ein.



 



Ich sah Bonn nach der Lungenbiopsie 1939 nur noch alle halbe Jahre und das für 2-3 Stunden zu den Kontrollterminen. 








Bis heute wird bei den Kontrollterminen, seit 2009 alle zwei Monate, alles gecheckt, was wichtig ist: 

-Sauerstoffsättigung
-EKG
-Blutdruck
-Ultraschall vom Herzen
-Blutwerte

Das ist so das Standartprogram, welches ich bis heute über mich ergehen lasse.
Aber hey, das ist nicht wirklich schlimm.

Als Dr. Redel, ich glaub es war so 2000 rum, in Rente ging, stellte er uns natürlich auch sofort seinen Nachfolger vor: Professor Dr. Breuer. Ein netter Mann der auch sofort mit einem neuen Medikament aufwarten konnte. Ventavis! Das Neuste vom Neuen, der Durchbruch in der Forschung der PH.

Ein Medikament, das alle zweieinhalb Stunden inhaliert werden musste und das sechs Mal am Tag. Dafür sollte es aber die Lungengefäße weiten.

Hörte sich nicht schlecht an und natürlich entschieden sich meine Eltern dafür. Einziger Nachteil wäre, dass der Ductus ganz geschlossen werden müsste. Nun gut, die Mittel, die das schaffen sollten, waren nun endlich erfunden worden und da dies während eines Kathedereingriffes, ja richtig schonwieder ein Katheder, ich kann gar nicht mehr zählen wie viele Narben ich davon habe…, geschehen sollte war das ja auch kein wirkliches Problem.
 

Außerdem wurde das Medikament direkt während des Eingriffes getestet.
Wie gut, dass ich drauf ansprang.

Ich war ganze drei Wochen deswegen stationär im Krankenhaus.
Aber im November 2001 wurde nach 14 Jahren der Ductus endlich geschlossen.

Allerdings kann ich zurückblickend nicht sagen, ob das damals die richtige Entscheidung gewesen ist. Mein Leben wurde von da an
vom 6-mal täglichem Inhalieren bestimmt.
Na gut, es dauerte immer nur so 5-10minuten, aber trotzdem ziemlich nervig für eine 14 Jährige. Außerdem durfte ich ab da keinen Sport mehr mitmachen.
Es war einfach zu anstrengend geworden.

Die nächsten zwei Jahre, also bis ich 16 war, waren nicht einfach für meine Eltern.
Natürlich kam auch ich in die Pubertät und raubte, vor allen meiner Mutter, den letzten Nerv.

Ich hatte logischerweise nicht darüber nachgedacht, wie das Inhalieren in der Schule sein würde und selbst wenn ich versuchte ganz cool damit umzugehen, störten mich die Blicke die mir zugeworfen wurden maßlos. Zu dem Zeitpunkt war ich in der siebten Klasse. 

Das ging so weit, dass ich in der Schule fast gar nicht mehr Inhalierte. Ich hab mir damals gedacht, naja was die Mama nicht weiß macht sie nicht heiß… blöd nur wenn die liebe Mutti dann irgendwann im Zimmer eine Tasche voller fertiger Spritzen findet, die das Medikament enthalten… Ich glaube das wäre gar nicht so weit gekommen, wenn ich mich ohne Medikament anders gefühlt hätte, als mit. Da dies aber nicht der Fall war ging das nicht Inhalieren natürlich immer weiter. 
Allerdings hielt ich mich nach diesem Riesenkrach, den es deshalb gab, dann daran, immer zu Inhalieren. 





Und so machte ich im Laufe der nächsten drei Jahre, mit Inhalieren, meinen Realschulabschluss mit der Qualifikation für die Oberstufe.

 






Ab 18 traf ich alle entscheidungen in meinem Leben selbst.
Also bin ich zuerst mal zu meinen Ärzten gegangen und habe sie darum gebeten mir ein Medikament zu geben, welches ich mit 16 bereits bekommen sollte.

Allerdings hörte man damals immer wieder von schlimmen Nebenwirkungen, die dieses Medikament verursachen sollte und meine Eltern entscheiden sich deshalb dagegen. Dieses Medikament hieß Tracleer. Tracleer soll den Druck in der Lunge senken.

Mein Fazit, nach fast acht Jahren mit diesen Tabletten ist, dass ich niemals irgendwelche von den angegebenen Nebenwirkungen hatte. Den Druck gesenkt hat es allerdings bis heute auch nicht. Aber er bleibt stabil. Was ja auch schon mal was ist.
Nach meinem 10er Abschluss stellte sich für mich die Frage, was machst du jetzt.
Geh ich also mit meinen Freunden und meiner Schwester in die Oberstufe oder mach ich eine Ausbildung?

Mir war klar, dass ich mit meiner Krankheit nicht den Job machen konnte, den ich Wollte und ein Bürojob war mir wirklich zu langweilig.
Mein Traum war es immer selber Medizin zu studieren, also Oberstufe.

Jeder, der einmal in der Oberstufe war, weiß, dass es nicht einfach ist Fehlzeiten wieder aufzuholen und da ich in den Herbst- und Wintermonaten jede Menge davon hatte, wiederholte ich also die elfte Klasse. Natürlich hatte ich auch in dieser Jahrgangstufe die gleichen Probleme im Winter wie in dem Jahr davor. Das Ende vom Lied war, dass ich nicht versetzt wurde aufgrund von einer einzigen Note. Natürlich beschwerte ich mich darüber. Ich fragte den damaligen Stufenleiter, wie das wohl ist wenn jemand im ersten Halbjahr drei Einsen in einem Fach schreibt und im zweiten Halbjahr drei fünfen. Natürlich weiß jeder, dass die Noten alle zusammen genommen werden. Am Ende kommt da höchstens eine 4 bei raus. Dieses Ergebnis legte ich auch dem Leiter der Oberstufe damals vor, doch dieser Antwortete –das ist dann einfach so- Obwohl ich die meisten meiner Lehrer hinter mir hatte, blieb das Ergebnis gleich und wer sich mit der Oberstufe auskennt, weiß, dass man in der Oberstufe nur einmal wiederholen darf. Demnach war meine Schullaufbahn damit für mich beendet.
Ich kann ehrlich sagen, dass dieser eine gewisse Lehrer mich um meine Zukunft als Ärztin gebracht hat. Vielen Dank Herr H***.

Naja anderes Thema. Nach einem Jahr tausender Bewerbungen, als wirklich alles Mögliche, war ich immer noch arbeitslos. Das Problem war einfach, dass die verschiedenen Arbeitgeber, sobald sie von meiner Krankheit -die mich damals noch überhaupt nicht wirklich eingeschränkt hat- erfuhren, immer wirklich sehr nette Ablehnungsschreiben schickten. 
Natürlich würde niemand das zugeben.

Schließlich bot mir der Arbeitgeber meiner Mutter einen Ausbildungsplatz zur Bürokauffrau in seinem Betrieb an. Natürlich war ich glücklich über den Ausbildungsplatz, selbst wenn es nicht der Beruf war, den ich mir gewünscht hatte.

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