Warten

Eine Woche später hieß es: Jetzt oder nie...
Meine Ärzte in Bonn sagten mir, dass in einer Klinik gerade ein Bett frei geworden sei und ich mich jetzt entscheiden musste, ob ich gelistet werden will oder nicht.
Natürlich sagte ich ja. 

Dann war ich vier Wochen in besagtem Krankenhaus, wobei ich sagen muss, dass ich es nicht nachvollziehen kann, dass einem eigentlich nur noch ein halbes Jahr zu leben gegeben wird, alleine die Untersuchungen für eine Listung aber vier Wochen dauern können. Und ich kann euch sagen, es waren noch nicht mal 10 Untersuchungen, die da gemacht werden mussten. Diese ganzen Untersuchungen kriegt Bonn inklusive der Kathederuntersuchung in höchstens einer Woche hin.

Ich danke meinem Vater dafür, dass er die ganzen vier Wochen bei mir geblieben ist.
Ohne ihn hätte ich bestimmt den ganzen Laden zusammengeschrien.

Die Medizinische Versorgung in dem Krankenhaus soll ganz gut sein, wenn man darauf steht von Ärzten und Krankenschwestern von Oben herab oder wie eine Nummer behandelt zu werden. 

Ganz ehrlich, ich muss nicht jeder Krankenschwester ein 5€ Schein in die Hand drücken nur damit sie mich wie einen Menschen behandelt. 

Also was macht man, fast 300km von der Familie entfernt, um vier Wochen Wartezeit zu überbrücken?
  



Ganz einfach. Man läuft, oder in meinem Fall, man lässt sich durch jeden Gang des Krankenhauses schieben.

Aber selbst das wurde spätestens nach einer Woche ziemlich langweilig. Ich glaub das haben mein Vater und ich nur gemacht damit wir nicht den Verstand verlieren.




Meine Familie hab ich in den ganzen vier Wochen nur ein einziges Mal gesehen.  
Als endlich meine Mama mit meinen Schwestern kam war ich überglücklich.
Und als sie abends wieder fahren mussten hat mir das Herz geblutet.

Es gab einen Interessanten Vorfall während meine Mutter da war.
Es ist nun mal so das meine Ma meine Medikamente immer schon gemanagt hat. 
21 Jahre Routine und daraus resultierendes Wissen ist dabei natürlich vorprogrammiert.
 
Als meiner Mutter an diesem Tag aber aufgefallen war das mit meinen Medikamenten etwas nicht stimmte, ich musste damals noch Marcumar nehmen und am nächsten Tag stand eine Kathederuntersuchung an wofür ich allerdings eine viel zu hohe Marcumar Dosierung in meinem Tablettenbehälter hatte, ist sie natürlich sofort nachfragen gegangen.
 
Die Schwestern und Pfleger waren sehr unfreundlich zu meiner Mutter.
Die Fragen –Wer sie denn überhaupt sei, dass sie die ‘korrekte‘ Arbeit der Schwestern und Pfleger in frage stellte- oder –Warum sie sich denn überhaupt damit auskenne- und –Was sie denn jetzt überhaupt genau wolle-  waren doch sehr unfreundlich.
Ich kann euch sagen seit diesem Tag nehme ich meine eigenen Medikamente mit und teile sie auch selber ein. Das war für mich damals ein Schock.
 
Wenn ich daran denke was am nächsten Tag mit der viel zu hohen Marcumar Dosis in meinem Blut bei der Kathedersetzung passiert wäre… Na Prost Mahlzeit sag ich da nur.

Und dann ging es auf zum Katheder.
Ich muss dazu sagen ich habe noch nie eine Katherder bekommen bei dem ich bei Bewusstsein war und auch noch keinen der über den Hals ging. Ich hab Katheder  bis dahin immer in Vollnarkose und über die Leiste gesetzt bekommen. Das war an diesem Tag eine wirklich neue Erfahrung, allerdings keine angenehme.  

Mein Vater hat mich bis zum Kathederraum begleitet und auch die ganze Zeit davor gewartet.
 
In diesem Raum waren drei Personen anwesend von denen sich mir keiner Vorstellte…
Dann durfte ich auf diese tolle Liege klettern und wurde schließlich vorbereitet.
 
Bis dahin hat  mir keiner auch nur ansatzweise erklärt was jetzt genau passierte.
Erst als ich bereits dieses schöne Tuch über meinem Gesicht, festgeklebt an meinem Hals, hatte hörte ich die Tür aufgehen und der Arzt der die Untersuchung machen würde betrat den Raum. Wenigstens der sagte mir seinen Namen und versicherte mir, dass in 20 Minuten alles vorbei sein würde. 20 Minuten… HaHa kann ich da nur sagen.

Abgesehen davon das die Betäubung das schlimmste war schlug mir mein Herz bis zum Hals.
Was ja nicht ungewöhnlich war. Ich konnte nichts sehen, bekam unter diesem Tuch schlecht Luft und hörte immer nur ein paar Stimmen die aber kein einziges Mal mit mir sprachen.
 
Da ich kein Zeitgefühl hatte wusste ich nicht wie lange ich jetzt schon Kopfüber auf dieser Liege lag. Ich wusste nur, dass immer mehr Leute in den kleinen Raum kamen und fleißig darüber Diskutierten in welche Vene sie wohl stechen mussten. Sie holten sogar  ein Ultraschallgerät zu Hilfe doch das verunsicherte die versammelte Mannschaft nur noch mehr.
 
Man muss dazu wissen das die Halsschlagader auf einem Ultraschallbild pulsiert.
Die Vene die man für den Katheder benutz dagegen nicht.
Außerdem sollte man NIE in die pulsierende Vene/Arterie oder was auch immer stechen…

Jedenfalls waren sie sich so unsicher das sie beschlossen die linke Seite meines Halses zu betäuben um da mal ihr Glück zu versuchen…  Dass sie bis dahin schon mehrmals in die rechte Seite meines Halses gestochen hatten muss ich wohl nicht erwähnen…
Also Tuch runter, Kopf nach rechts drehen, desinfizieren, neues Tuch draufgeklebt und nochmal betäubt. Das Ultraschallgerät wurde dieses Mal von Anfang an zu Rate gezogen und doch waren sie auch diesmal mehr als ratlos. Während noch irgendein Arzt gesucht wurde der vielleicht helfen konnte versprach mir der Arzt, der den Eingriff durchführte, eine Tüte Gummibärchen als Entschädigung… Wenigstens etwas oder?
 
Und dann kam dann endlich ein Arzt der die Situation aufklären konnte. 
Es war nämlich folgender maßen:
Durch das Eisenmenger Syndrom Pulsiert die Vene die für den Katheder genommen wird ebenfalls, ist aber natürlich nicht so dick im Ultraschall wie die Aorta.

Das wussten die Ärzte allerdings nicht, oder es war ihnen einfach entfallen… Juhuu es konnte also endlich weiter  gehen.
 
Alles was dann noch kam war innerhalb von 10 Minuten erledigt.
Wollt ihr wissen wie lang das ganze Hin und Her gedauert hat?
Fast drei Stunden… Glückwunsch ihr
'Götter in weiß' ihr seid spitze kann ich da nur sagen.
 
Eine Frechheit finde ich es dann noch das meinem Vater auf seine Fragen -Ob alles Inordnung sei?- keine einzige Antwort bekam. er wurde einfach mal wieder ignoriert


Hallo, er hatte sich Sorgen gemacht!!
 



Nach  vier Wochen, die mir so lang wie mein ganzen Leben erschienen, waren endlich alle Untersuchungsergebnisse vollständig. 

Aber naja das die Ärzte sich in diesem Krankenhaus für Götter hielten und alle anderen nur Luft waren wusste ich ja bis dahin schon.


Das Krankenhaus schickte alle Ergebnisse zu Euro-Transplant in Leiden wo verschiedene Ärzte über meine Zukunft entscheiden würden.

Der Husten der mich bis dahin gequält hatte war mittlerweile fast komplett verschwunden.
Was daran lag das die Ärzte in dem neuen Krankenhaus die täglichen Inhalationen mit Ventavis komplett abgesetzt hatten.

Während der Wartezeit lernte ich eine sehr nette Dame kennen die nun schon seit zehn Jahren Lungentransplantiert war.  Ich muss sagen das mir ihre Geschichte sehr geholfen hat mit dem Thema Transplantation umzugehen.  Denn selbst wenn ich gesagt habe das es für mich kein wenn und aber in dieser Hinsicht gab, war das ganze doch nicht so einfach zu verarbeiten. 
Natürlich machte ich mir Sorgen.
Würde ich die OP überhaupt überleben?
Wie viele Jahre hatte ich überhaupt noch nach der Transplantation?
Wie würde die Reha Zeit sein?
Wie würde sich mein Leben verändern?

Mir kamen Gedanken wie:
Muss ich dann meinen ganzen Kleiderschrank neu bestücken?
Warum ich genau daran dachte?
Tja ich bin nicht die dickste und das liegt daran das ich einfach superschlecht zunehme.
Und wenn mein Herz dann nicht mehr so extrem arbeiten müsste, müsste ich theoretisch ja auch zunehmen… Heute muss ich ganz schön schmunzeln wenn ich daran denke, dass ich mir gerade diese Frage immer wieder gestellt habe.
Die anderen Gedanken hab ich versucht weitestgehend zu ignorieren.

Keine 24 Stunden später kam die Antwort aus Leiden.
Ich war nun also HU -High Urgency- gelistet.
HU ist die höchste dringlichkeitsstufe die es gibt.
HU wird man gelistet wenn einem die Ärzte höchstens noch ein halbes Jahr zu leben geben.

Und keine 24 Stunden weiter war ich mit dem Krankenwagen wieder auf dem Weg zurück nach Bonn. Mir wurde erlaubt in Bonn bis zur Transplantation zu warten.

Mittlerweile war der 12. Februar und in einer Woche würde Weiberfastnacht sein.
Karneval stand also vor der Tür.
Da ich in eine wirklich Jecke Familie geboren wurde gehörte die 5. Jahreszeit für mich genauso dazu wie Weihnachten.
Für mich war es schrecklich, dass ich dieses Jahr nicht mit meinen Freunden feiern gehen konnte.
Weiberfastnacht erzählte ich dafür meiner Mama ganz stolz übers Telefon das Meine LuFu von unter 30% auf irgendwas über 70% gestiegen war.  Zusätzlich habe ich allen über Skype beim verkleiden für den Abend zugucken können Außerdem sollte ich auf den nächsten Tag warten. Da gäbe es wohl eine Überraschung für mich.
Der Karnevalsfreitag kam also und ich glaube ich habe ziemlich blöd aus der Wäsche geguckt als meine Mama zu Tür rein kam und anfing ein paar meiner Sachen zusammen zupacken.
Ich durfte übers Wochenende Nachhause!

Ich bin zwar nicht mit meinen Freunden auf die verschiedenen Züge gegangen aber dafür hat meine Familie für mich eine Karnevalsparty zu Hause Organisiert. Das war klasse.
Als ich sonntags abends wieder nach Bonn musste habe ich mich gefragt warum ich mir das eigentlich antat… Niemand konnte mir sagen, dass ich wirklich in 6 Monaten Tod sein würde.
Genauso wenig wie mir einer die Gewissheit geben konnte das ich die Transplantation überleben würde. Wer sagte denn, dass mein Herz nicht noch die nächsten 10 Jahre schlagen würde. Und was wenn ich mich Transplantieren lassen würde?
Ein Bruchteil überlebt die nächsten 2-5 Jahre. Die wenigsten Leben nach zehn Jahren noch.
Ich war 21 Jahre alt und zum Sterben definitiv zu jung!

Also setzte ich mich Aschermittwoch mit meinen Ärzten zusammen und bat sie darum, dass sie Bitte mit dem anderen Krankenhaus reden sollten und die HU-Listung auf eine normale Listung  zu ändern. Da es schon nach 18 Uhr war wollte sich mein Arzt am nächsten Morgen direkt mit dem Krankenhaus in Verbindung setzten. Doch leider funkte das Schicksaal dazwischen.

In der Nacht von Aschermittwoch auf Donnerstag war ich ziemlich erstaunt als die Nachtschwester um zwanzig nach 12 in mein Zimmer kam und mir sagte ich solle mal ans Telefon kommen.
Am Telefon war ein Arzt aus dem andern Krankenhaus und saget mir das Euro-Transplant angerufen habe und sie Organe für mich hätten… Haha wie lang war die Listung jetzt her? Anderthalb Wochen?
Parallel war noch mein Arzt an einem weiteren Telefon genau wie meine Eltern an meinem Handy.
Lustigerweise telefonierte dieser Arzt auch noch mit meinen Eltern und sagte ihnen doch, dass sie mich überreden sollten der Transplantation zuzustimmen.
Ich find es schon ziemlich hart von diesem Arzt noch auf meine Eltern und meinen Arzt einzureden mich doch bloß zu überreden.
 



Das Ende war das ich die Transplantation ablehnte.


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